Im Blogartikel "Eine Spirale der Gewalt Teil 1" habe ich beschrieben, wie schnell Hundehalter aus Unwissenheit in diese Spirale geraten. Jetzt die gute Nachricht: Es ist nicht nötig, im Hunde-Mittelalter stecken zu bleiben und veraltete Praktiken aus vergangenen Zeiten weiter zu verfolgen.
Ich möchte dich hiermit ermutigen, dich aus dieser Gewaltspirale zu befreien, nicht mehr willkürlich am Verhalten deines Hundes herumzuexperimentieren, sondern dir stattdessen deinem Hund zuliebe das notwendige Wissen im Bereich des positiven Hundetrainings anzueignen.
Menschen suchen oft nach dem ultimativen Patentrezept, nach der schnellen Lösung, die beim Hund „den Schalter umlegt“. Bad News: Vergiss es! Die schnelle Lösung gibt es nicht.
Da der Hund als Säugetier über ein hoch entwickeltes Gehirn verfügt sind Lernvorgänge sehr komplex. An einem einfachen Lernvorgang sind Millionen von Nervenzellen, Botenstoffe, Synapsen, Neurotransmitter und Hormone beteiligt, die eine Veränderung im Gehirn mit sich bringen bzw. starken Einfluss auf die Lernfähigkeit unserer Fellnasen nehmen. Lernen ist ein immerwährender Prozess, ständig entstehen neue Verknüpfungen im Gehirn, ständig passt sich ein Lebewesen an veränderte Bedingungen an. Zudem erfolgt Lernen selten in linearer Weise, sondern in Kurven. Vor dir liegt eine Reise mit Höhen und Tiefen, mit Fortschritten und Rückfällen, Aufs und Abs, .... so ist das Leben.
Es ist wichtig, dass du nicht alles gleich verwirfst, was beim ersten Mal nicht klappt. „Das funktioniert bei meinem Hund nicht, der braucht eine harte Hand“ ist schlichtweg Bullshit. Wirf das freundliche Training nicht völlig über Bord, weil du in kürzester Zeit das Nonplusultra erwartest (das gibt’s nur im TV). Wechsle nicht ständig Methoden - permanenter Methodenwechsel verunsichert deinen Hund und auch dich - unterm Strich weißt weder du, noch er, wo ihr eigentlich hinwollt.
Gehe systematisch und strukturiert vor, reflektiere das Training und mache kleine Trainingsschritte, die deinem Hund zum Erfolg verhelfen. Bleib dem Weg der positiven Verstärkung treu und du wirst nachhaltige Ergebnisse erzielen.
Die Verhaltensstrategie unserer Hunde basiert immer darauf, was sich für sie in der Vergangenheit bewährt hat und wie es sich in einem gegebenen Moment für sie richtig und gut angefühlt hat. Sie haben kein Verständnis dafür, was wir als richtig oder falsch betrachten, sie kennen kein „Fehlverhalten“.
Wer es nötig hat zu unterdrücken, ist nicht stark!
Unser Hund kann erlernte Strategien nicht einfach ablegen. Je nachdem, wie lange er schon auf sie zurückgreift, kann es eine Zeit dauern, bis er sich für etwas anderes entscheidet, er neue Verhaltensweisen lernt und diese festigt. Es ist deine Aufgabe, ihn beim Lernen zu unterstützen. Das geht jedoch nur, wenn du Know-how in Sachen Hund hast.
Es braucht neben Kenntnissen über das Ausdrucksverhalten deines Hundes auch das Wissen über seine Bedürfnisse und mögliche Ursachen für seine (unerwünschten) Verhaltensweisen. Informiere dich über das Lernverhalten des Hundes, denn Lerngesetze gelten egal welcher Rasse dein Hund angehört, egal welches Alter er hat, egal auf welchem Trainingslevel er steht.
Das neurobiologische System eines Hundes beeinflusst Hundeverhalten auf vielfältige Weise, von der emotionalen Reaktion auf Umweltreize bis hin zur Fähigkeit, Neues zu lernen und sich an unterschiedliche Situationen anzupassen. Hormone spielen eine wichtige Rolle bei der Verhaltensregulation, beeinflussen v.a. das Stressgeschehen und die Fortpflanzungsaktivität. Das Verständnis dieser neurobiologischen Aspekte hilft dir, das Verhalten der Hunde besser zu verstehen.
Wenn wir begreifen bzw. begreifen wollen, wie unsere Hunde lernen, welche Bedingungen notwendig sind, damit Hunde überhaupt lernen können, was der Hund mit seiner Körpersprache ausdrückt, was ihn zu bestimmten Verhaltensweisen motiviert und wie man all dies in belohnungsbasiertes und bedürfnisgerechtes Training einbauen kann, können wir Verhaltensweisen unserer Hunde viel besser verstehen, können sie uns erklären und man kann einen liebevollen Weg finden, Verhaltensweisen auch zu verändern.
Wir haben unseren Hund zu uns geholt und damit die Verantwortung übernommen, für ihn zu sorgen. Ist er doch sein ganzes Leben völlig unserer Willkür und unseren Lebensumständen ausgeliefert.
Niemand hat behauptet, dass es immer leicht ist, diese Verantwortung zu tragen. Sie zu übernehmen bedeutet auch nicht, dass man stets perfekt sein und von Anfang an alles richtig machen muss. Unfair wäre aber, dem Hund die Verantwortung für sein Verhalten zu übertragen, ihn einfach für unerwünschtes Verhalten zu bestrafen und ihn dahingehend zu vermenschlichen, dass man seine Bedürfnisse und Verhaltensweisen nach menschlichen Maßstäben interpretiert und ihm unterstellt, er würde aus Berechnung, Provokation oder Kalkül bestimmte Dinge tun.
Verantwortung zu übernehmen bedeutet, sich dessen bewusst zu sein, dass man ein hochsoziales Lebewesen an seiner Seite hat, das um glücklich zu sein, weit mehr braucht als Futter und etwas Auslauf.
Es bedeutet auch, ein Stück der eigenen Freiheit aufzugeben, um der Individualität unseres Hundes und seinen Bedürfnissen einen Platz in unserem Leben zu geben. Wer seinen Hund willentlich oder aus reiner Bequemlichkeit heraus mit aversiven Trainingsmethoden trainiert, im alltäglichen Leben Bedürfnisse des Hundes ständig unerfüllt lässt oder Verhalten straft, statt es zu hinterfragen, führt den Hund in einen Zustand, in dem er ungenügend Glück empfinden kann.
Hunde auf positive und freundliche Weise zu trainieren ist weder Hexenkunst noch Zauberei – jeder kann sich die Fähigkeiten und Fertigkeiten aneignen, die es dazu braucht. Hat man dazu noch ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen, Geduld und Verständnis steht einer harmonischen Mensch-Hund-Beziehung nichts im Wege. Du musst nicht die ganze Welt auf den Kopf stellen, um beim Training erfolgreich zu sein. Du musst lediglich deinen Hund und sein Verhalten verstehen lernen und dir Gedanken zu den wirklichen Verstärkern für deinen Hund in bestimmten Situationen machen.
Das von dir angeeignete Hunde-know-how wird maßgeblich beeinflussen, welchen Weg du in der Hundeerziehung einschlägst. Ich möchte dazu beitragen, dass du die bestmöglichen Entscheidungen für das Training und das Wohl deines Hundes treffen kannst.
Wenn du das nächste Mal an der Leine reißt, mit Wasser ins Gesicht deines Hundes spritzt, ihm eine Rüttelflasche oder Fisher Disc zum Erschrecken vor die Füße wirfst, ihn runterdrückst oder ihm mit dem Finger in die Seiten stößt, dann stell dir doch mal vor, du müsstest für eine Zeit in das Leben deines Hundes schlüpfen.
Hand aufs Herz - würdest du so freiwillig an deiner Seite leben wollen?
Würdest du im nächsten Leben mit ihm in eurer Beziehung die Rollen tauschen?
Es liegt nur an dir…
Informiere dich über positives Training und du wirst merken, was sich dabei alles tut – bei dir und bei deinem Hund!
Melde dich gerne, wenn du Fragen zum gewaltfreien Hundetraining hast.